Review: Ellende – Ellenbogengesellschaft

Ellende - Ellenbogengesellschaft - Beitragsbild

Release: 30.09.2022

Genre: Ambient Post Black Metal

Spieldauer: 48 Minuten 53 Sekunden

Label: AOP Records

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Tracklist:

  1. Ich bin
  2. Unsterblich
  3. Ruhelos
  4. Hand aufs Herz
  5. Someday
  6. Freier Fall
  7. Abschied
  8. Verletzlich

Ellende - Ellenbogengesellschaft - Cover

Es ist so weit. Ellende steht mit einem neuen Album in den Startlöchern. Und bereits das Cover und vor allem der Titel Ellenbogengesellschaft lassen für Black Metal nicht ganz erahnen was uns hierbei erwartet. Dennoch klingt es super interessant und weckt unser Interesse und setzt die Erwartungen gegenüber dieser Ausnahmeband hoch an. Ein Review, auf das ich mich sehr gefreut habe und darum sollten wir auch einfach direkt loslegen.

8 Titel und knapp 50 Minute Spielzeit hat der neue Silberling und startet gewohnt atmosphärisch und klangvoll mit dem Intro Ich bin. Ein auf Piano aufgebautes Stück Gänsehaut, dass sich langsam aufbaut und einen direkt in die Atmosphäre entführt, die das gesamte Album tragen soll. Was hier neugierig macht ist, dass bereits hier neue Elemente zu Tage kommen, die man in dieser Form von der Band nicht kennt. Und so erwartet man eigentlich ehr, bei einem solch starken Albumtitel, direkt einen kräftigen Einstieg. Dieser zieht sich jedoch über das gesamte Intro und so wird unter anderem mit Chorgesang aus dem Background die emotionale Ebene des Werks dargestellt.

Doch dies soll keinen Abbruch machen, denn der gelungene Übergang zu Unsterblich erfüllt dann direkt im Anschluss genau diese Erwartungen und steigt direkt und kraftvoll ein. Nach einem kurzen Vorspiel ertönen dann die ersten Donnerschläge und ein gewohntes Keifen setzt den richtigen Einstieg in gewohnte Gewässer des Black Metals und entzündet zwischen Unsicherheit und Erkenntnis das „Feuer“, welches das Leben selbst in sich trägt. Aus Unsicherheit wird Erhabenheit und wäscht alle Zweifel beiseite. Unterlegt ist das Ganze mit einer riesigen emotionalen Soundwand, die von Düster bis melancholisch auf einen eindrückt. Mit passenden Melodien und einem ehr klassischen Gitarrensolo akzentuiert wird eine Atmosphäre geschaffen, die so abwechslungsreich und bewegend zu gleich ist, ohne dabei den Faden zu verlieren und eine einheitliche emotionale Ebene darstellt, die sich im stetigen Wandel befindet. Zwischen leichtem Wind und Sturm wandelt man sich so akustisch durch die Welt, die dabei im Kopf entsteht.
Und so könnte es nicht passender sein, dass der nächste Titel Ruhelos heißt. Denn dies ist man innerlich nach dem ersten Song. Doch noch bevor man sich emotional „leveln“ kann, wird bei diesem Titel genau diese Emotion aus der man kommt, noch einmal aufgegriffen und auf die Spitze getrieben. Denn als ob das noch nicht reicht, erlebt man direkt noch eine Überraschung. Denn niemand anderes als Michael „Jimbo“ Kögler (Harakiri For The Sky) eröffnet mit seinen Gastvocals den Song. Eine innere Stille macht sich breit, ohne dabei komplett zur Ruhe zu kommen. Dies erreicht seinen Gipfel, wenn beide Sänger gemeinsam die Zeilen „Ich laufe, aber komm’ nicht von der Stelle. Ein Ziel im nichts, der Kopf wird schwerer. Ich laufe, aber komm’ nicht von der Stelle. Ein Ziel im Nichts, lass mich bitte sterben!“ in die Ohren des Zuhörers abfeuern. Hier kristallisiert sich wieder deutlich die Verzweiflung, die in der Ruhelosigkeit liegt heraus und fasst gut zusammen, wovon der Song handelt. Und das wird dann auch noch alles episch mit einem Chor untermalt, der ausnahmsweise auf Englisch singt und so das große Finale einläutet und eine erstaunliche Soundwand durch die Gehörgänge drückt. Dazu noch die großartigen Stimmen beider Sänger in perfekter Harmonie und das Feuerwerk beginnt.
Doch Hand aufs Herz, es gibt ja nicht nur den persönlichen Untergang, gegen den man ankämpfen muss. Und so spielt ein Lied, dass nun auch mehr auf den Albumtitel abzielt. Denn persönliches Leid entsteht in einer Solidaritätsgemeinschaft nur aus den Schwächen aller. Und so wird der modernen Gesellschaft ein schöner Spiegel vorgeführt, wie man es mit „Ellenbogengesellschaft“ auch schon erhofft hatte. Und so wird mit kraftvollen Lyrics wie: „Ellenbogengesellschaft, Kreislauf der Gewalt“ genau diesem Niedergang sein eigener Missstand aufgezeigt. Denn mit Hand aufs Herz wird diesem Kreislauf aus Gewalt der Kampf angesagt. Und um sich dem bewusster werden zu können, folgt nach ordentlich Geballer und Kritik die Kehrtwende. So folgt ein längeres instrumentales Zwischenstück, bei dem man sich besinnen kann. Denn die Lösung liegt in einem Selbst, was Zeilen wie: „Schaffensdrang, Wanderlust, innere Ruhe, geschenktes Leben, genutzte Zeit. Der Versuch, das alles zu verstehen, beginnt bei einem selbst, mit der Hand aufs Herz.“ verdeutlichen. Darunter liegt auch noch der richtige „Ausdruck“ in den Drums und peitscht innerlich dazu an, voranzugehen.

Nach so viel Nachdenklichkeit und der Suche nach dem Sinn, muss man erst einmal durchschnaufen. Deshalb kommt das ehr als Zwischenstück anzusehendes Someday da gut daher. Eine Mischung aus Piano und Gitarre, das zum Träumen einlädt und die zuvor gewonnene Selbsterkenntnis auf eine bestätigende Art und Weise davon überzeugt, sich nicht unterkriegen zu lassen und stark zu sein, um ein Stückchen Utopia aufzubauen. Und so setzen sich immer mehr Elemente zusammen um dies zu verdeutlichen. Beginnend mit dem Chorgesang, der wieder auf Englisch einsetzt und dann direkt in die großartigen Vocals von L.G. übergehen und so die Selbstzweifel für einen Moment beiseite schieben.
Doch Hochmut kommt vor dem Fall. Und obwohl man meint am emotionalen Höhepunkt angekommen zu sein, holt die Melancholie noch einmal zum Nachschlag aus. Es folgt der Freie Fall, der einen wie die Dunkelheit umhüllt und die melancholische Atmosphäre für die Ellende definitiv steht wieder einmal perfekt einfängt. Mit einem Refrain, der einfach nur trifft: „Ich bin im freien Fall, Wolkenfetzen hämmern mich. Zeitraffer, hoher Puls, Gedanken zerschmettern. Ich bin im freien Fall, Todesangst im Vakuum, ras’ ich auf ein Ende zu. Wach, allein, sterbend!“ und einen davon trägt.
Und wie es immer so ist, ist die „Ellenbogengesellschaft“ zwar ein zeit- und endloses Thema im Jahre 2022, jede CD hat jedoch irgendwann ihr Ende. Und wie könnte dies bei Black Metal und allem zuvor gehörten besser als mit Abschied aufhören? Denn so sind wir nun auch schon fast bei den letzten Minuten des Albums angekommen. Und der Song fängt genau da an, wo der vorherige aufgehört hat. Ein wenig verspielter auf den Gitarren und soundmäßig anders aufgezogen, kommen auch schöne Elemente wie ein kratzig geflüsterter Part, der einem die Haare zu Berge stehen lässt, in den Vordergrund. Eine willkommene Abwechslung, welche die Facetten dieses Werks noch einmal ausdehnen und den Gesamteindruck erweitern.
Doch jeder Abschied und fällt er noch so schwer, macht auf der anderen Seite auch einfach nur Verletzlich und damit kommen wir leider schon zum letzten Song des Albums. Und damit werden dann noch einmal alle Erkenntnisse und Folgerungen der vorherigen Werke in Frage gestellt. Die gleichbleibende drückende Stimmung, die den perfekten Ausklang von „Ellenbogengesellschaft“ darstellt, hat aber auch noch etwas „Neues“ zu bieten. So wird mit eingespielten Zitaten des englischen Autors und Kunstkritikers „David Sylvester“ (Stichwort: Kitchen Sink Realism) und dem von ihm geförderten Philosophen „Francis Bacon“ der menschliche Zwiespalt noch einmal auf den Punkt gebracht.

Ellenbogengesellschaft ist das nun vierte Album des österreichischen Künstlers „Lukas Gosch (L.G.)“. Bekannt für seinen eigenen Stil und seine eigene Umsetzung des Genres, werden auch diesmal wieder keine Gefangenen gemacht. Black Metal der an epischer Atmosphäre nur so strahlt, ohne dabei seinen Ernst zu verlieren. Ein herausragendes Album, dass alles bisher gewesene plus neue Elemente vereint und so das Gesamtkonzept von Ellende erweitert, ohne dass man irgendetwas alte vermisst oder von irgendetwas neuem nicht direkt in seinen Bann gezogen zu sein. Definitiv ein Anwärter für die besten Black Metal Alben des Jahres 2022 und darüber hinaus.

Personal statement of L.G.
“I am very excited and proud that a new full-length album will be released after many years of work. Together with Markus Stock and Klangschmiede Studio E we were able to create one of our most sophisticated records until now, incorporating some fresh elements as well as staying true to what Ellende is and was always striving for. Thanks to all involved and supporting, and of course, enjoy the ride.” L.G., 2022.

(Diese Seite trägt sich durch Affiliate-Link)

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