Release: 30. Dezember 2022
Genre: Dark Metal
Spieldauer: 51:23 min
Label: Napalm Records
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Tracklist:
- Blood & Glitter
- Leave Your Hate In The Comments
- Absolute Attitude
- The Future Of A Past Life (feat. Marcus Bischoff)
- No Respect for Disrespect
- Reset The Preset (feat. Any LaPlegua)
- Destruction Manual
- Dead End
- Leaving The Planet Earth
- Forever Lost
- Save Our Souls (feat. Ally Storch)
- One Last Song
- Bonustrack: The Look (feat. Blümchen)
Die Jungs bekommen, nach ihrem schwarz-weißen Look von Judas, wieder etwas mehr Farbe im Gesicht. Passend zu Weihnachten zeigten sie sich auf den Promobildern zur Ankündigung von Blood & Glitter in Rot, Gold und natürlich glitzernd. Zwei dominierende, sich kontrastierende Farben – man erkennt das Muster. Die Kostüme schreien förmlich nach dem Glamrock der 70er Jahre. Auch ein großer Kontrast ist das Vorgehen der Band, was den Release angeht. Während die meisten Künstler viele Singles schon lange vor Albumrelease auskoppeln, um in irgendwelchen Playlists und Charts zu landen, wurde diesmal ein anderer Weg gewählt. Zwischen Ankündigung und Albumrelease vergingen nur ganze sechs Tage. Man merkt, mit diesem Album wird einiges anders gemacht und dass sich Kontraste wie ein rot-goldener Faden durch alles durchziehen.
Der erste Track ist gleichzeitig Titelsong und die erste Singleauskopplung. Blood & Glitter erschien mitsamt Musikvideo direkt mit der Ankündigung des Albums am 24.12. Der Song lässt schon erahnen, in welche Richtung sich das Album entwickeln wird, bleibt aber doch noch relativ nah an Judas. Es wurde vermehrt auf synthetische Sounds gesetzt, die an die 80er erinnern, aber die Metal-Elemente bleiben natürlich erhalten. Der Song macht seinem Titel alle Ehre, denn während die Gitarren in den Tiefen dröhnen, schwebt über allem ein glitzernder Synthesizer. Dieser Stil findet in verschiedenen Formen auf dem ganzen Album Verwendung. Ob diese Richtung gut ist, da scheiden sich die Geister. Wer Lord of the Lost kennt, weiß dass sie ihre Musik immer weiterentwickeln und dass jedes Album seinen eigenen Klang hat. Es wundert also kaum, dass hier etwas Neues ausprobiert wurde. Der Song selbst handelt sogar von Veränderungen. Von Fehlern, die man gemacht hat und aus denen man lernt. Manchmal muss man die Dinge sein lassen, darauf aufbauen und weiter machen, aber nie vergessen wo man hergekommen ist. Das ist zumindest meine Interpretation des Textes und spiegelt auch meinen Eindruck der Band selbst wider.
Veränderungen bringen auch immer Kritik mit sich. Passend dazu folgt ein Song, der sich mit negativer Kritik beschäftigt, selbst wenn diese eher de- als konstruktiv ist. Leave Your Hate In The Comments ist einer der härtesten Songs der Scheibe, auch wenn sich hier zwischen dem Gitarrengewitter, gerade im Refrain, immer wieder die 80er-Jahre-Disco-Synthie-Sonne zeigt. Ein interessantes Element ist das Scratching im Mittelteil und am Ende. Generell lohnt es sich hier genau hinzuhören, denn das gesamte Sounddesign kommt mit kleinen Spielereien, die man nicht unbedingt sofort raus hört. Der Song ist eine Abrechnung mit allen Hatern und gleichzeitig eine Art „roast-yourself“. Den Hatern wird ein Spiegel vorgehalten, denn der Hass ist unnötig und bringt eigentlich keinem irgendetwas, auch nicht ihnen selbst. Viele sind vermutlich unzufrieden mit sich selbst und äußern das auf ihre eigene Weise.
Absolute Attitude, der dritte Song, nimmt eine andere Perspektive ein. Der Protagonist, vielleicht sogar einer der Hater, ist mit sich selbst und seinem Leben nicht zufrieden. Er wird von allen ausgegrenzt und niemand scheint ihn zu mögen. Aber wenn es einem nicht gut im Leben geht, muss man das Beste draus machen. Niemand darf einem etwas vorschreiben, aber man sollte den Kopf trotzdem oben behalten. Diese Message ziehe ich persönlich aus diesem Song, wobei vermutlich jeder eine etwas andere Interpretation des Titels haben wird. Absolute Attitude trieft förmlich von 80er Jahre Pop, unterbrochen durch die Zeilen „Absolute Attitude“ und deren doch wieder etwas metallischerem Sound. Diese Kombination klingt etwas gewöhnungsbedürftig, aber passt sehr gut zusammen, denn die Synthies und Gitarren ergänzen sich wunderbar. Dieser Stil wird uns in ähnlicher Form auch weiterhin auf diesem Album begegnen.
Lord of the Lost sind bekannt dafür, dass sie sich immer sehr für Toleranz und Weltoffenheit einsetzen. Mit Toleranz ergibt sich aber gleichzeitig ein großes Dilemma: das Toleranz Paradoxon. Eine tolerante Gesellschaft kann Intoleranz nicht tolerieren, weil sie sonst nicht tolerant wäre. Diese Thematik wird in No Respect For Disrespect aufgegriffen. Eine Hymne gegen Eliten, Unterdrücker und Mobber und damit für einen respektvollen Umgang untereinander. Der Slogan „No Respect For Disrespect“ wird durch eine kurze Pause auf ein Podest gesetzt, damit man die Aussage sacken lassen kann, bevor man im Stile von Rammstein mit Triolen aus der Ruhe gerissen wird. Der Synthie hier erinnert etwas an einen 8bit Sound aus Videospielen und damit bleiben wir in den 80ern.
Destruction Manual geht wieder in die härtere Ecke. Dem Titel entsprechend heißt es Abriss, zumindest am Anfang des Songs. Auch hier glänzt das Zusammenspiel der rauen Gitarren mit einem sehr klaren Synthesizer, der das Klangbild an den oberen Enden abrundet. Der Sound untermalt die Message: Was einen aufhält, muss man verbrennen, alle negative Energie aus seinem Leben verbannen und man selbst sein. Sich nicht für andere verstellen. Manchmal muss man sich von Dingen trennen, um zu einem besseren Ich zu gelangen.
Wenn man das geschafft hat, kommt man wahrscheinlich zur Erkenntnis, dass Menschen eigentlich gar nicht so toll sind und man die Erde am liebsten einfach verlassen würde. Gepaart mit einem Klangbild, das stark an Depeche Mode erinnert, ergibt sich Leaving The Planet Earth – ein Song darüber alles zurückzulassen, seine Sorgen und Ängste, und einen Neuanfang zu starten. Dieses Lied ist das, was auf diesem Album am Ehesten an eine Ballade herankommt. Er vermittelt ein Gefühl von Melancholie und verzichtet dabei vollständig auf Metalelemente, was eine willkommene Abwechslung von den bisherigen Songs ist.
Save Our Souls schlägt in eine ähnliche Kerbe, ist aber deutlich sphärischer und baut wieder auf akzentuiert eingesetzte Gitarren, welche die unteren Frequenzbereiche abdecken. Hier lohnt es sich ebenfalls genau hinzuhören, denn wer ein wenig Morsecode kann, wird im Rhythmus des Synthies und der Gitarren ein nettes, aber doch recht offensichtliches Easter Egg entdecken. Der Text strotzt nur so von Schifffahrtssymbolen und Metaphern, in die jeder für sich ein eigenes Bild interpretieren kann. Ich sehe dort eine Welt, die langsam zu Grunde geht, während die Bewohner dieser Welt alle sterben werden, wenn niemand etwas unternimmt. Die Melodie erweckt durch die hohen klaren Synthies, aber im Gegensatz zu dieser scheinbaren Verdammnis, ein Bild der Hoffnung und das doch noch nicht alles verloren ist.
Fazit:
Blood & Glitter ist, wie nicht anders zu erwarten, wieder einmal von Top Qualität. Der Kontrast aus 80er Jahre Synthie Sound und Dark Rock E-Gitarren, der sich in vielen Songs zeigt, ergänz sich perfekt und erschafft ein Klangbild, welches in sich sehr stimmig ist. Man bekommt in jedem Song etwas geboten und aufmerksames Zuhören wird durch kleine Sounds, „ear candy“, belohnt. Ich musste mich anfangs erst etwas in den Sound einfinden und denke, dass nicht jeder Fan der Band etwas mit diesem Album anfangen kann. Die Verkaufszahlen sprechen dagegen sehr für das Album, ist es doch direkt auf Platz 1 in die Deutschen Album Charts eingestiegen.
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