Konzertbericht: 30 Jahre Explizite Lyrik – J. B. O., Astra Berlin, 15.05.2025

Als am 11.09.1995 das Debütalbum Explizite Lyrik von einer Gruppe namens J.B.O. erschien, hätte sich niemand – genauso wenig wie die Band selbst – vorstellen können, dass sie 30 Jahre später immer noch auf der Bühne stehen und ihre Fans begeistern. Aber genau das tun sie auf ihrer 30 Jahre Explizite Lyrik-Tour. Wir waren im Astra Kulturhaus in Berlin dabei und fassen den Abend für euch zusammen.

Trotz des eher ungemütlichen Wetters vor der Halle ließen sich die Fans nicht davon abhalten, für beste Stimmung zu sorgen. Schon in der Schlange hörte man immer wieder Textfetzen der Lieder, und überall war Rosa zu sehen: T-Shirts, Brillen, Armbänder – denn klar ist: Auf einem J.B.O.-Konzert geht es bunt zu.

Aber fangen wir am Anfang an mit der Vorband Brunhilde.

Brunhilde

Fast pünktlich um 20 Uhr betrat die Band aus Mittelfranken die Bühne – und Sängerin Carolin legte mit viel Energie los. Die ersten Songs wurden kraftvoll von der Bühne geschmettert, und man merkte schnell, wie sich die ersten Reihen mitreißen ließen, während Schlagzeuger Jannis den Takt souverän vorgab. Mit auf der Bühne standen außerdem Bassistin Marissa, in einer orange leuchtenden Hose, die von der Bühne strahlte, sowie Gitarrist Kurt, der in einem schwarz-weißen Kachel-Plüsch-Mantel auftrat.
Der gesamte Auftritt war geprägt von viel Energie und Bewegung. Sängerin Carolin nutzte die ganze Breite der Bühne, lief und sprang von einer Seite zur anderen. Nach den ersten Songs musste Gitarrist Kurts Plüschmantel weichen, denn die Temperaturen in der Halle stiegen spürbar an. Zusätzlich angeheizt wurde die Stimmung durch eine augenzwinkernde Flirterei zwischen Carolin und Marissa.

Bei Friendly Fire kamen endlich die Seifenblasen-Kanonen zum Einsatz, die bereits zu Beginn der Show auf der Bühne positioniert waren – sehr zur Freude der ersten Reihen.
Gegen Ende des Sets ergriff Bassistin Marissa das Wort und kündigte einen neuen Song an: Running Away, der erst bei vier Konzerten gespielt wurde. Die Band legte sich nochmal richtig ins Zeug und lieferte danach den Rest der Setlist ab, inklusive ihrer Version von House of the Rising Sun als krönendem Abschluss.

Der Auftritt von Brunhilde war ein solider Opener, der das Publikum ordentlich anheizte, ohne es zu überfordern. Zum Schluss wurde noch angekündigt, dass die Band nach dem J.B.O. -Auftritt am Merchstand für Autogramme und Fotos zur Verfügung stehen würde.

Setlist: Cut my rocking brain // Girl with 1000 scars // Crying + Miss god // When you were born // Eye for an eyes // Snafu // Hell or high water // Friendly fire // Running Away // Gossip Girl // Souls unchained // House of a rising sun

J.B.O.

Gestartet wurde der Abend mit einem augenzwinkernden musikalischen Rückblick durch die Jahrhunderte: Vom Urknall über gregorianische Chöre, Bach, Mozart und Elvis Presley landeten wir schließlich im Jahr 1989 – beim neu gegründeten James Blast Orchester. Danach ertönte das Intro von Explizite Lyrik und der erste Song des Albums, Kuschelmetal, wurde angestimmt. Denn eines war klar: An diesem Abend stand das komplette Debütalbum – angereichert mit Klassikern und Highlights – auf dem Programm.

Zunächst durften aber die Backgroundsänger, -tänzer und Allzweck-Jungs auf die Bühne. Für eventuelle Textunsicherheiten im Publikum – die es gefühlt gar nicht gab – wurde ein Schild mit angepasstem Text für Berlin hochgehalten, damit auch wirklich alle textsicher mitsingen konnten.
Bei Schlaf Kindlein, Schlaf wurde J.B.O. von in Nachthemden gekleideten Backgroundis und einer wild geführten Kissenschlacht begleitet. Doch plötzlich, nach dem Gebet mitten im Song, schlich sich zur Überraschung aller der Klassiker Bolle in die Setlist. Die Menge tobte, sang sofort mit, und wurde anschließend wieder sanft ins Schlaflied zurückgeführt – natürlich inklusive Showeinlage.

Jetzt war auch Vito endgültig warm, entledigte sich seiner rosa Jacke und stimmte Walk with an Erection an. Begleitet wurde er dabei von den Backgroundis in Peniskostümen, ausgestattet mit passenden Wasserpistolen, die prompt Richtung Publikum abgefeuert wurden. Es folgte der kurze Zwischenspieler Eistees Mainzelcount, nahtlos übergehend in Ejaculatio Praecox, basierend auf Nirvanas Come As You Are. Die Halle kochte, ein Moshpit tat sich mittig vor der Bühne auf.

Danach richtete sich die Band mit einer amüsanten Ansprache zum Thema OnlyFans vs. Playboy ans Publikum und leitete damit Mei’ Alde is’ im Playboy drin ein. Passend dazu gab es ein enthülltes Foto von Vito, das am Ende stolz über die Bühne getragen wurde. Nach einem kurzen Intermezzo mit Skorpione – Vom Winde verweht ging es mit Frauen weiter – erneut begleitet von den Backgroundis, in Frauenkostümen.

Die folgende Pause nutzte Vito, um die Bühne zu verlassen, nur um kurz darauf in voller Rastafari-Montur und mit Hanfblatt-Gitarre als „Bob Marley“ zurückzukehren. Es folgte Ka Alde, ka G’schrei! untermalt von grüner Lichtstimmung und einem überdimensionalen Joint, der von einem Backgroundi auf die Bühne gebracht und dort von allen „probegeraucht“ wurde. Direkt danach ging es weiter mit Gimme Doop Joanna, inklusive Joanna in Person, Polizisten, Tumult und einer herrlich überdrehten Bühnenshow. Ein wuchtiges Drumsolo von Wolfram rundete den Wahnsinn ab.

Wenn man J.B.O. eines ganz sicher nicht vorwerfen kann, dann ist es fehlende Show. Unsere beiden Statisten im Hintergrund hatten ein straffes Programm, Kostümwechsel und Einsätze am laufenden Band. Auch der anhaltende Moshpit, mal größer, mal kleiner, sprach für die ungebrochene Energie im Saal.

Weiter ging’s mit einem kurzen Zwischenspiel, bei dem Hannes versuchte, Vito davon zu überzeugen, dass Bob Marley tatsächlich da gewesen sei. Als das nicht ganz gelang, wurde direkt Diggin’ The Nose angestimmt, bei dem Vito seine Gitarre mit einem Akkuschrauber malträtierte, sehr zur Freude des Publikums. Bei Mir sta’dd’n etz die Feier standen die Backgroundis mit Bierflaschen bewaffnet auf der Bühne, zogen Konfetti aus der Hosentasche und pusteten es ins Publikum. Währenddessen wurde heimlich das nächste Requisit auf die Bühne geschoben, ein Klo, das perfekt zu Der um das Klo tanzt und Symphonie der Verstopfung passte. Einer der Backgroundis musste natürlich Platz darauf nehmen.

Kaum war das stille Örtchen wieder verschwunden, war es Zeit für einen der beliebtesten Songs des Albums, Schlumpfozid im Stadtgebiet! Der Schlumpf-Part wurde vom Publikum textsicher übernommen, während ein Backgroundi als Vater Abraham den Sprecherpart übernahm. Der Moshpit legte nochmal an Intensität zu. Plötzlich kam es auf der Bühne zum epischen Showdown zwischen Vater Abraham und einem Henker, der es auf die mitgebrachten Schlumpf-Plüschfiguren abgesehen hatte. Die Halle tobte. Bei Odyssee auf UKW tauschten die Jungs von J.B.O. sowohl ihre Plätze als auch ihre Instrumente. Vito spielte Violine, Hannes griff zum Banjo, Ralph zum Telefon, und Wolfram mimte den Dirigenten. 

Bevor Rache angestimmt wurde, lästerte die Band noch kräftig über Marvin, den Protagonisten des Songs, um das Publikum entsprechend einzustimmen. Direkt danach folgte Könige, begleitet von fahneschwingenden Backgroundis mit Kronen auf dem Kopf.

Bevor Ein guter Tag zum Sterben angestimmt wurde, fragte die Band, ob das Publikum denn bereit sei. Die Antwort: ein lauter Chor aus den ersten Textzeilen, textsicher und voller Inbrunst. Der Song, begleitet von Vito auf der Akustikgitarre, wurde zum einem der besten Momente des Abends. Ein Fan-Favorit, damals wie heute. Nach dem Song griff die Band tief in ihre Anekdotenkiste und erzählte die Geschichte der Phrase „Pariser Bier“, die eigentlich „Patrizier Bier“ heißen sollte, bis die Brauerei mit juristischen Konsequenzen drohte. Damit war die Bühne frei für den letzten Song des Albums, J.B.O., und Vito packte standesgemäß die J.B.O.-Schriftzug-Gitarre aus.

Doch das sollte noch nicht das Ende sein. Mit erhobenen Fäusten, der Zeigefinger der linken Hand von der rechten umschlossen wurde Verteidiger des wahren Blödsinns zelebriert. Danach folgte Wir ham’ ne Party und das Konzert schien sein (vorläufiges) Ende zu finden. Aber das Publikum dachte gar nicht daran, sich zu verabschieden. Die Zugabe-Rufe wurden lauter, und im Takt des blinkenden J.B.O.-Schriftzugs riefen die Fans: „J-B-O-O-B-J!“ Das Logo blinkte erst nach vorne, dann zurück – ein herrlich absurder Moment.

Natürlich kamen die Jungs zurück und lieferten eine erste Zugabe mit Metal Was My First Love, Wacken ist nur einmal im Jahr und Alles nur geklaut. Zum Beginn der zweiten Zugabe kam die passende Frage „Wollt ihr noch eins?“ welche die Menge nicht unbeantwortet ließ. Es folgte Mach noch eins auf!, während die Backgroundis in rosa Kutten über die Bühne hüpften und im Hintergrund ein riesiger, aufblasbarer J.B.O.-Schriftzug in die Höhe stieg. Zum krönenden Abschluss erklang Ein Fest und genau das war es auch: ein Fest.

Abschließend lässt sich sagen: Es war ein grandioser Abend mit verdammt viel Spaß. Die Band gab alles und die Fans wurden von Anfang bis Ende mitgerissen. Kein einziger Durchhänger, was nicht zuletzt den beiden pausenlos aktiven Backgroundis zu verdanken war, die mit ihren ständigen Kostümwechseln für Daueraction sorgten. Auch der Einsatz des scheinbar unendlichen Requisitenfundus trug zur ausgelassenen Stimmung bei. Man fühlte sich wie zurück in der guten alten Zeit des gepflegten Blödsinns.

Setlist: Kuschelmetal // Schlaf Kindlein, Schlaf Part. 1 // Bolle // Schlaf Kindlein, Schlaf // Walking with an Erection // Eistees Mainzelcount // Ejaculatio Praecox // Mei‘ Alde  is‘ im Plabyboy drin // Skorpione – Vom Winde verweht // Frauen // Ka Alde, Ka G’schrei! // Gimme Doop, Joanna // Diggin‘ the Nose // Mir sta’dd’n etz die Feier // Der um das Klo tanzt // Symphonie der Verstopfung // Schlumpfozid im Stadtgebiet // Odysee auf UKW // Rache! // Könige // Ein guter Tag zum Sterben // J. B. O. // Verteider des Blödsinns // Wir ham ’ne Party // Metal was my first love // Wacken ist nur einmal im Jahr // Alles nur geklaut // Mach noch eins auf! // Ein Fest

Bericht und Bilder: Andreas Sperl

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