Nach dem großen 30-jährigen Jubiläum fand das Rockharz Open Air wieder mit einem bombastischen Line-up statt. Vom 03. bis zum 06. Juli war das Festival auf dem Flugplatz Ballenstedt und wir waren mit Stift und Kamera vor Ort. Viel Spaß beim folgenden Bericht.
Für wen die Freitagnacht etwas zu lange wurde und das letzte Bier sich hartnäckig an die Knochen klammert, für den war die erste Band des Samstags genau richtig. Nakkeknaekker ballerte bereits vor dem Mittag mit echtem Old School Death Metal einem Maschinengewehr gleich auf die Besucher. Das trieb die letzte Müdigkeit aus dem geschundenen Körper und da half nur ein kühles Blondes zur Beruhigung der Nerven.
Knüppelhart ging es danach mit Parasite Inc. weiter, aber dafür mit einer Prise Melodie zu den beinharten Akkorden. Der Samstag war der wärmste Tag des Festivals und die Besucher rasteten, mit allen drum und dran, vollkommen aus. Zu Scharen schüttelten die Headbanger ihre Haare, ein kleiner, feiner Mosh Pit bildete sich und ab der Hälfte wurde eine große Wall of Death organisiert. In der ersten Reihe standen eine ganze Gruppe schottischer Fans, die nur für diesen Auftritt nach Deutschland gereist sind. Das ist echt Leidenschaft für eine Band. Zusammengefasst: Der Samstag fing mit Parasite Inc. gut an.
Nach dem ganzen Death Metal kam eine musikalische Verschnaufpause. Die Seefahrer von Storm Seeker setzten Segel und erzählten ihr musikalisches Seemannsgarn. Vor zwei Jahren war die Band als Opener auf dem Rockharz und wiedersehen macht bekanntlich Freude. Bei ihrer Musik war aber weniger der Nacken, sondern eher der das Tanzbein gefragt. Auch die Ansagen hatten richtig Stil, mit Ansagen wie „Ich habe jetzt das Bier geext und deshalb bin ich qualifiziert euch zu erzählen How To Be A Pirate“. Der Auftritt war ein Spaß und ich glaube, Storm Seeker kann gern in zwei Jahren wieder auf diesem Festival spielen.
Schnell, schneller, Knife! Nach dem kurzen Segeltörn kehrte das Line-up zurück zu der richtig harten Musik mit der Thrash-Metal-Band Knife. Selbst diese höllischen Temperaturen konnten Musiker und Besucher gleichermaßen nicht stoppen und so rempelten sich schwitzige Körper im Mosh Pit, während ebenso schwitzige Musiker die Instrumente mit einer unfassbaren Aggressivität spielten. Knife war ein Abriss der gnadenlosen Art!
Ich schrieb im Freitagsbericht über seltene Instrumente und ausgefallene, musikalischen Konzepte auf dem diesjährigen Rockharz. Der Samstag hatte ebenfalls einen exotischen Leckerbissen: Mit Klarinetten, Cello und einem hauseigenen Butler traten die Herren von Coppelius auf. Rockige Klänge trafen auf Instrumente der klassischen Musik und erschufen eine lockere, ausgelassene Stimmung vor der Bühne. Das Highlight für mich war ein grandioses Cover von Chop Suey von System of a Down. In dem Moment war ich nicht der einzige, der seinen Nacken nicht bändigen konnte.
Wir hatten bisher lustige, rasante und brutale Musikarten, aber wo blieben die epischen Spielarten des Metal? Mit Mystic Prophecy wurde es brachial und episch auf der Bühne. Power Metal im Stil der 90er, mit richtig kantigen Riffs und vor Kraft strotzenden Refrains. Ich wünschte mir ein Schwert, nur um es während des gesamten Auftrittes weit über den Kopf zu halten, so sehr hat mich Mystic Prophecy packen können und ich war dabei nicht allein auf dem Rockharz 2024.
Die Stimmung auf dem Rockharz war bisher echt stürmisch, aber leider auch das Wetter. Es gab eine Gewitterfront, welche auf das Festival zu hielt und ca. 1,5 Kilometer vor dem Geländer abdrehte. Die Leitung räumte voraussichtlich das Gelände, um die Besucher keinen Schäden auszusetzen. Die Besucher nahmen die Warnung ernst und gingen gesittet vom Gelände direkt zu ihren Camps. Bedauerlicherweise fielen durch die Sturmfront die Auftritte von Nestor, Avatarium und Draconian aus. Das Rockharz versucht im kommenden Jahr die Auftritte nachzuholen und hoffentlich können wir die Bands 2025 auf der großen Bühne sehen.
Nach der Räumung des Festivals ging es mit Orden Ogan endlich weiter. Die deutsche Power Metal-Band beendete unsere Pause mit mitreißenden Riffs und einer kleinen Überraschung für die Besucher. Im Gepäck hatte die Band ihr neues Album The Order of Fear, welches erst am vorigen Tag veröffentlicht wurde und ist laut der Band die direkte, englische Übersetzung ihres Bandnamens. Zur Feier des Umstandes spielte Orden Ogan das Lied Conquest vom genannten Album. Eine tolle Entschädigung nach der Unterbrechung des Line-Ups.
Die Melodic Death Metal Band Soilwork fuhr musikalisch eine bis dato unbekannte Schiene für den Samstag. Mit ruhigen, bedächtigen und dafür umso gefühlvolleren Akkorden wurde das bis dahin hohe Tempo runtergefahren. Die vorher so heiß gelaufenen Nackengelenke wurden in den ersten Gang geschaltet und aus Headbangen wurde verträumtes Nicken. Wir haben vor zwei Jahren ihr aktuellstes Album Övergivenheten erwähnt und ihr könnt hier nachlesen was wir von den Scheibe halten. Für das Rockharz war dies eine willkommene Verschnaufpause, bevor es knallhart weiter ging.
Vor einigen Monaten erhielten wir die Neuigkeit, dass Sänger Thomas Lindner an Kehlkopfkrebs erkrankte, aber der Auftritt von Schandmaul auf dem Rockharz 2024 wurde jedoch nicht abgesagt. Nach einer langen Genesungsphase sind Schandmaul zurück, mit Thomas, doch dieser darf noch immer nicht singen, da die Bestrahlung sich auf seine Stimmbänder ausgewirkt hat und er noch länger braucht um zu genesen. Doch wie sollten sie ohne Sänger auftreten? Die Lösung ist einfach: Gastsänger! Auf dem Rockharz standen Gesangslehrer Till Helms und Alea, Frontmann von Saltatio Mortis auf der Bühne. Mit dem Duo wurde der Auftritt von Schandmaul zu einem besonderen Auftritt. Zusammen sangen sie Lieder wie Traumtänzer, Tatzelwurm und Königsgarde, welches sie zusammen mit Saltatio Mortis aufnahmen. Passend, dass Alea gerade vor Ort war. Es war eine lange Zeit des Bangens und Fürchtens um ihren Auftritt, aber am Ende bekamen wir ein traumhaft schönes Konzert mit Schandmaul.
Und dann war es endlich so weit, der große Headliner des Abends, Judas Priest persönlich, betraten die Bühne! Die wahrscheinlich größten und legendärsten Musiker, die auf dem Rockharz Open Air bis dato spielten. Über eine Stunde spielten sie Songs aus 50 Jahre Bandgeschichte und jedes einzelne Lied ein Knaller. Die Leute wurden dabei nicht müde, ihre Häupter zu schütteln und die Teufelshörner in die Luft zu recken. Allein die erste Reihe war brechend, voll von enthusiastischen Besuchern. Aber wem ist das zu verübeln? Es ist halt Judas Priest. Spätestens beim Klassiker schlechthin, Painkiller, brach beinahe eine Masseneskalation der reinen Freude aus. Dutzende Crowdsurfer flogen nur so über die anderen Zuschauer dahin und die Menschen darunter sangen die Lieder laut und (dank der großen Leinwand) textsicher. Der Auftritt von Judas Priest ist in die Geschichte des Rockharz eingegangen und wird nur schwer zu toppen sein.
Direkt nach dem Konzert von Judas Priest versammelten sich die Crew und der Organisator auf der Dark Stage. Es gab einige rührende Worte und viel Dank von dem Organisator für die Zuschauer. Auch versuchte er seine Freude ein Festival zu betreiben, auf dem eine legendäre Band wie Judas Priest aufgetreten ist. Danach bedanke er sich bei den Besuchern für die schnelle und reibungslose Evakuierung, als die Sturmfront direkt auf das Gelände zuhielt. Leider mussten drei Bands ausfallen und er beteuerte nochmal das Vorhaben, diese drei Bands im kommenden Jahr auftreten zu lassen. Besonders Draconian wurde bereits viermal bestätigt und jedes Mal wurden die Auftritte abgesagt. Vielleicht haben wir im kommenden Jahr mehr Glück.
Mit dem Headliner der Dark Stage betrat ein bekanntes Gesicht die Bühne: Alf Peter Tägtgren, der Kopf hinter Pain, welche am Donnerstag auf der Rock Stage auftraten. Am Samstag trat er mit seinem zweiten Projekt Hypocrisy auf. Hypocrisy ist eine Death Metal Band mit dem seltenen Thema Aliens und Ufos. Große Raumschiffe waren auf dem Hintergrundbanner. Das Drumset war wie ein Ufo geformt und war das mit Abstand coolste Drumset auf dem gesamten Rockharz 2024. Mit ihrem knallharten Sound konnte die Band die Bühne zum zweiten Mal in Folge an diesem Abend zum Beben bringen.
Der erste Afterheadliner hatte die wohl außergewöhnlichste, skurrilste und abgefahrene Bühnenshow auf dem gesamten Rockharz 2024. Die Hardrock-Band Lordi aus Finnland trat mit gruseligen Monsterkostümen auf und hatten eine ganze Menge cooler Bühnenrequisiten, wie aufklappbare Flügel oder eine Blut verschießende Kreissäge. Damit boten die Musiker visuell viel für die Besucher, aber auch musikalisch waren sie eine echte Wucht, welche die noch putzmunteren Zuschauer noch einmal richtig in Fahrt brachten. Lordi, immer eine Empfehlung wert.
Die letzte Band, die auf dem diesjährigen Rockharz spielte, war die deutsche Neo-Folk-Band Faun und sie ließ das Festival mit einer atemberaubenden Show enden. Die Bühne wurde in ein mystisches Blau getaucht und zärtliche Klänge breiteten sich aus. Die Musiker erschienen mit verschiedenen Folkinstrumenten, wie Nyckelharpa, Drehleier, Harfe und Flöte, auf der Bühne. Mit diesem großen Arsenal an verschiedenen Instrumenten erschufen sie eine dichte Atmosphäre, welche zum Träumen einlud. Faun ließ den Abend, welcher zuvor von Judas Priest, Hypocrisy und Lordi laut dominiert wurde, sanft und verspielt ausklingen. Das war eine geschickte Entscheidung, um den Sommertraum Rockharz Open Air abgerundet zu beendet.
- Bericht: Rockharz Open Air 2024, Freitag den 05.07.2024
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- Festivalbericht: Rockharz Samstag, 08.07.2023
- Festivalbericht: Rockharz Freitag, 07.07.2023
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