Festivalbericht: Amphi 2024 Samstag

Köln wurde schwarz, denn zur 18. Ausgabe des Amphi Festivals strömten Goths in allen Formen und zumindest ein paar dunklen Farben zum Tanzbrunnen bei der Messe. Samstag vormittags um 11 Uhr ging es schon geschäftig zu, die Mission lautete: Ein Amphi-Shirt ergattern. Die Schlange zum Merch reichte bis weit in das Gelände, noch bevor überhaupt die erste Band spielte. Wer sich einen Platz in der ersten Reihe schnappte, sollte sogar belohnt werden. Das Moderatorenteam um Mark Benecke, Jens Domgörgen und Celene Nox begrüßte die ersten Gäste und beschenkte sie mit zufälligen Dingen. Sei es ein rosa Handspiegel, eine Maske oder ein Dildo, der mit den Worten: „Ich habe hier einen unbenutzten Penis, hat, wer Interesse“, in die Menge geworfen wurde.

Danach sollte es aber auch endlich mit Musik losgehen. Alienare hatten die Ehre, das Amphi 2024 zu eröffnen. Die Herren mit den steilen Frisuren legten direkt los, die Stimmung war großartig. Natürlich durfte etwas Frühsport nicht fehlen, und was kann man da am besten machen als zu hüpfen? „Ist schon 17 Uhr?“, rutschte einmal kurz raus, weil die Anwesenden so großartig und zahlreich mitmachten. Sogar die Sonne schien zu dem Zeitpunkt ein wenig. Zum Ende hin musste T. Green sogar eine Träne verdrücken, obwohl er vorher mit flotten Sprüchen sehr gefasst wirkte. Der Drummer, der die Band heute ergänzte, war ja auch da, um bei Witzen „ba dum tss“ zu machen. Hoffentlich ergänzt er die Band auch in Zukunft, zum Beispiel auf der Tour zum neuen Album Lumen.

Manntra ziehen immer wieder auf zahlreichen Festivals neue Fans in ihren Bann. So spielten die Kroaten schon auf dem Hexentanz Festival, dem Sternenklang oder sogar auf Wacken; jetzt gaben sie ihr Amphi-Debüt. Schon beim Soundcheck gab es Zugaberufe, was Gitarrist Dorian mit „Der Soundcheck ist der langweiligste Teil, aber keine Sorge, es wird nur schlimmer“. Von Mark erfuhren wir, dass die Band am meisten esse und deshalb zum Eigenschutz sehr viel Merch gekauft werden solle. So könnten sie ihr eigenes Essen kaufen und würden nicht das Catering wegfuttern. Der Auftritt war fulminant, mit sehr viel Pyrotechnik. Das Publikum sang fleißig mit und unterstützte den Barren King bei seinem Song auch beim Crowdsurfen. Gut, denn mit seinen „sieben Ehefrauen und neun Kindern“ würde es für die Band sehr teuer werden, wenn er sich dabei verletze. Sänger Marko hat sogar ein kleines bisschen Deutsch gelernt und so performten sie Königsmord, der größtenteils auf Deutsch ist. Er erzählte, er fühle sich in Deutschland daheim und wenn er seiner Mutter zeigen würde, wie viele Leute Manntra kennen würden, würde sie ihm nicht glauben.

Weiter ging es mit Schattenmann, die zumindest ihr Main Stage-Debüt gaben. Leider wurde der Auftritt ein wenig überschattet davon, dass der parallele Auftritt von Blood Dead and Sexy auf der Orbit Stage kurzfristig wegen eines Sturzes während des Aufbaus ausfiel. Gute Besserung an dieser Stelle.

Schattenmann machten trotzdem sehr viel Stimmung. Menschenhasser sollte das Publikum nicht persönlich nehmen, der Song gehe an alle raus, „die wir im Geiste nicht mögen“. Zu Schattenmann wurde die Bühne in grünen Rauch gehüllt, gepaart mit viel Pyrotechnik. Wir erfuhren auch, dass Jan zwei Wochen vor dem Auftritt eine Meniskus-OP hatte und ihm gesagt wurde, er könne acht Wochen nicht laufen. Er spielte die letzten Konzerte noch sitzend, heute aber lief er herum, als ob nichts wäre, auch wenn er noch nicht so sportlich unterwegs war wie sonst, aber es war klar: er zieht durch. Über die Gründe der Verletzung schwieg er sich aus, Sänger Michi mutmaßte einen Kamasutra-Unfall. Er echauffierte sich auch über eine Dame in der Menge, die den gesamten Auftritt mitfilmte, also lud er sie kurzerhand auf die Bühne ein. Dort wollte er einmal sehen, ob die Aufnahmen denn überhaupt brauchbare seien. Am Ende machten sie auf der Bühne ein Selfie und ein Polaroid zusammen, welches sie als Denkzettel behalten durfte. Danach ging es mit einem Cover des Apache207 und Udo Lindenberg Hits Komet weiter. Zum Abschluss wurde natürlich ein Foto gemacht und die Tourtermine verkündet. Nicht nur ihrer eigenen Día de Muertos Tour, sondern auch die Termine als Support von Eisbrecher.

Der Auftritt von Ost+Front wurde zur taktischen Essensbeschaffungsmaßnahme genutzt. Hier fing es an, in Strömen zu regnen und sollte auch eine ganze Weile nicht mehr aufhören. Viele Regenschirme wurden aufgespannt und die Menschen unter den großen Schirmen vor der Bühne rückten enger zusammen. Gegen Ende des Konzerts wurden schwarze Luftballons ins Publikum geworfen, von denen einige noch lange hin und her geworfen wurden.

Wer auf mexikanisches Technogeballer steht, konnte auf der Main Stage Hocico sehen. Weltweit haben sie die größte Fanbase in Deutschland und treten immer wieder auf hiesigen Festivals der Schwarzen Szene auf. Die Doppelsingle Fallen Paradise​/​Twisted Promises kam einen Tag vorher raus und ein neues Album soll noch dieses Jahr erscheinen. Entsprechend voll war es auch vor der Bühne, als jemand mit Federkopfschmuck und Schminke, mit einer rauchenden Schale in der Hand auf der Bühne hin und her und anschließend durch den Graben vor der ersten Reihe ging. Danach folgten auch schon die beiden Cousins Erk Aicrag und Racso Agroyam und es ging direkt mit Vollgas los. Die erste Aggrotech-Band auf der Main Stage an diesem Tag definierte „der Bass muss ballern“ neu.


In der Umbaupause zur nächsten Band lief das spätestens seit der EM wieder populär gewordene Major Tom von Peter Schilling, was sehr lautstark mitgesungen wurde. Goths mögen anscheinend auch Neue Deutsche Welle. Moderator Mark brachte bei der Ansage von Diary of Dreams Knicklichter auf die Bühne, die aber leider nicht zur Geltung kamen. Der Gedanke zählt. Mit 20 Alben seit 1989 ist die Band ein Urgestein der Szene und älter als manch Gast des Festivals. Sie spielten souverän eine großartige Show mit ihrem Future Pop und zogen das Publikum in ihren Bann. Sänger Adrian bedankte sich bei allen Helfenden und Menschen, die im Hintergrund arbeiten, was mit viel Applaus quittiert wurde. Vor dem letzten Song machten Drummer, Bassist und Gitarrist Feierabend, denn es folgte eine Pianoversion eines Songs. Das Publikum durfte durch Schreien zwischen Traumtänzer und She And Her Darkness entscheiden. Es wurde dreimal abgestimmt, da es wirklich sehr knapp war und das Publikum bei beiden Songs gleichlaut war, aber am Ende gewann She And Her Darkness. Am Ende stellte sich heraus, dass ein Song zeitlich noch drin wäre, aber bevor sie beginnen konnten, wurde in der Menge nach einem Sani gerufen.

Anscheinend war jemand kollabiert und die Security reagierte nicht gleich auf die Rufe. Adrian ging also selbst in den Graben, sprach die Securitys an und half bei der Lokalisierung der Person. Unglücklicherweise dauerte es mehrere Minuten, bis die Sanis vor Ort waren. Als Adrian wieder auf der Bühne stand, entschuldigte er sich bei den Leuten, dass es keinen Song mehr gebe, denn es gebe wichtigere Dinge im Leben. Das wurde mit sehr lautem Jubel und Applaus gewürdigt, bevor sich die Band nochmal verbeugte und sich verabschiedete.


Genauso alt wie Diary of Dreams ist das nächste Schwarze-Szene-Urgestein Project Pitchfork. Passend zum Wetter, denn der Regen ließ einfach nicht nach, wurde das Amphi Festival von Sänger Peter Spilles in Amphi-bien Festival umgetauft. Mit einer Setlist, die von den Fans auf Social Media zusammengestellt wurde, blieben keine Wünsche offen. Auf der großen LED-Wand im Hintergrund wurden animierte Formen und Muster abgespielt, die der Bühne durch den Nebel zustzlich zu den normalen Bühnenlichtern einen eigene Lichtstimmung verliehen. Ein besonderes Highlight war seine Frau, die mit auf die Bühne kam, um ein Duett zu singen. Zwischendrin gab es einen schnellen Kuss und am Ende ein stolzes „sie hat ja gesagt“.

Den Frontmann des Headliners auf der Main Stage hat man schon das ein oder andere Mal an diesem Tag im Publikum stehen sehen, meistens umringt von Fans. Natürlich ist die Rede von Alexander Wesselsky mit seiner Band Eisbrecher. Mit einem neuen Knie extra fürs Amphi und neuem Lead-Gitarristen, gab es eine großartige Show. Unter anderem gab es ein Mundharmonika-Solo des New Order Songs Blue Monday und natürlich „Ausziehen“-Rufe, als Alex die Jacke auszog. Er zog auch seine Brille aus, aber leider war er nun blind wie ein Maulwurf. Aber riechen könne er uns noch, scherzte er, allerdings musste Gitarrist Dodo jetzt die Setlist vorlesen. Erwähnter neuer Gitarrist, Marc, als Ersatz für den ausgestiegenen Noel Pix, wurde vom Publikum gebührend begrüßt. Er sei genauso verrückt, wie der Rest der Band und würde deshalb sehr gut dazu passen. Die Band wuselte immer wieder die mehrstufigen Bühnenaufbauten hoch und runter und positionierte sich um Drummer Achim „der doppelte Achim“ Färber. Der Song Schwarze Witwe erhielt sogar ein Akustik-Intro. Zwischendurch wurden die Schneekanonen ausgepackt und die Bühne wurde in blaues Licht und Schneeflocken aus Schaum gehüllt. Mit Eispickeln bewaffnet und einer Fellmütze auf dem Kopf betrat Alex die Bühne und die Eiszeit wurde eingeläutet. Zum Ende gab es nochmal eine Danksagung bei der gesamten Crew und den Helfern des Amphis und das obligatorische Foto.

Ein würdiges Ende für den ersten Festivaltag. Dem Regen zum Trotz gab es gute Laune und ungruftige Feierstimmung. An diesem Tag spielten neben den genannten Bands außerdem Blackbook, A Projection, Die Selektion, T.O.Y., Principle Valiente, Minuit Machine, Agent Side Grinder, Je t’aime, Neurotic Fish, Aesthetic Perfection und Then Comes Silence. Durch den sehr parallelen Spielplan war es leider nicht möglich, alle Bands zu sehen und leider hatte nur unsere Fotografin die Gelegenheit ins Theater zu gehen, denn durch den Regen war die Schlange so lang, dass niemand mehr eingelassen wurde. Von Aesthetic Perfection zeigen wir euch trotzdem Bilder:

Mehr vom Amphi Festival findet ihr hier:

Mehr von den Bands, die heute gespielt haben findet ihr hier:

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