Festivalbericht: Walpurgisnacht vol. III, Freitag 26.04.2024

Matthias Funcke

Die Walpurgisnacht ist der Abend, an dem sich die Hexen am Brocken treffen und ihren Herren und Meister, den Teufel zu huldigen. In Berlin wird diese Nacht auch zelebriert, aber

auf eine andere Weise. So organisierten die Veranstalter des De Mortem Et Diabolum Festival im ORWO Haus seit 2022 die Walpurgisnacht. An zwei Tagen traten verschiedene Künstler aus dem Bereich Black Metal und ähnlichen Stilen auf der Bühne auf und wir waren vor Ort, um euch mit Bild und Text davon zu berichten.

Den Auftakt am Freitag machte die Atmospheric Black Metal Band Abglanz aus Goslar. Allein ihre Herkunft war prädestiniert für einen Auftritt auf dem Festival und so brachten sie akustisch einen Teil ihrer Heimat, den Harz, nach Berlin. Die Halle verdunkelte sich vor ihrem Auftritt, die Musiker erschienen auf der Bühne und legten letzte Handgriffe an ihre Instrumente. Der Sänger stellte sich in einer Pose mit einer gesenkten- und einer erhobenen Hand und jeweils ausgestreckten Zeige- und Mittelfinger vor das Publikum. Dann begann das Konzert und die schwarzen Winde aus tiefen Wäldern umspielten das Publikum. Die Musik der Band hat einen kalten, aber zugleich melodischen Klang, welcher in seiner Balance sehr stimmig ist. Die Musik von Abglanz hat einen kalten, aber zugleich melodischen Klang, welcher in seiner Balance sehr stimmig war. Vor ihrem Lied The Ride Of The Witches betonte ihr Sänger B.L. die Verbindung zwischen der Walpurgisnacht und dem Harz und schaffte damit eine gelungene Überleitung zum genannten Lied. Mit Temple Of Fallen Leaves endete ihr Auftritt und ließ die Zuschauer in Trance und freudiger Erwartung der kommenden Auftritte zurück. Abglanz war ein gelungener Auftakt für die Walpurgisnacht. Und wenn ihr jetzt neugierig auf die Band seid, dann schaut euch unsere Review von ihrer letzten EP Call Of The Woods an. 

Ruins, The Ride Of The Witches, Enter The Gates, The Darkest Patch, Temple Of Fallen Leaves

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Der Auftritt von Deathcult 69 konnte nicht nur akustisch, sondern auch visuell eine passende Stimmung auf der Bühne schaffen. So wurden E-Kerzen verschiedener Größe, teilweise in Kerzenständer steckend, aufgebaut. Am Keyboard hing ein Banner, welches die Tarotkarte “The Devil” zeigte und weiteren okkulten-Flair verbreitete. Dann erschienen die Musiker, welche mit Kunstblut im Gesicht, der Brust und Armen beschmiert waren. Die Bassistin Fernanda Czarnoba und Marie-Christin Herberg am Keyboard erweiterten die Band und waren das besondere Etwas bei diesem Auftritt. Aus dem Keyboard kamen schallende Orgeltöne, welche dem langgezogenen Doom Metal der Band noch mehr Tiefe und Schwere verliehen. Fernanda Czarnoba erweiterte die Gesangspalette um einige kreischende Screams und harmonierte im Kontrast und Duett mit Konstantin Michaely. Es war aber der Gesang von Herr Michaely, welcher mich vom ersten Moment an fesselte. Statt tiefen Growls oder todesverachtenden Screams war es ein hoher, schallender Gesang, welchen ich so eher im Gothic Metal hören durfte. Der Gesang bildete somit einen Kontrast zu dem mehrschichtigen Doom Metal von Deathcult 69 und dieser Kontrast machte den Auftritt zu einem besonderen Erlebnis. 

Join The Cult, The End of Days, Hell On Earth, 1969, Ritual Queen, Fire

Vom Okkultismus entführte uns der Auftritt von Trivax direkt ins Schlachthaus! Dröhnende Trommeln und ein tiefer Männerchor spielten aus den Lautsprechern, während blutige Schädel an den Mikrofonständern baumelten. Die Musiker mit ihren Lederwesten und dem Kunstblut erschienen auf der Bühne. Ihr Sänger stürmte mit weit aufgerissenen Augen und weit vom Körper ausgestreckten Armen die Bühne und brüllte die Zuschauer mit infernalischen Schreien an. Dies war nur eine Kostprobe für den weiteren Verlauf der Show. Das Gesicht des Sängers Shayan verzog sich abwechselnd zu Fratzen voller Wahn und Wut und bevor er mit dem ersten Lied begann, spuckte er  Wasser direkt in die erste Reihe. Meine Notizen auf dem Handy waren auf einmal mit Wassertropfen besprenkelt. Danach wurden die Besucher unter anderen als “weak” und “pussy” bezeichnet, als diese nicht laut genug schreien konnten, und mehrmals als “Motherfucker” betitelt. Ansagen, die sich in ihrer Aggressivität gut in den Black-/Death Metal der Musiker einfügten und die drückende, brachiale Stimmung nur weiter verstärkten. Dementsprechend waren die ehrlichen, freundlichen Dankesworte von Trivax vor dem letzten Lied umso berührender. Eine ehrliche Sanftheit eingebettet in ein Nest aus Stacheldraht und Knochen. 

Wegen eines Streiks der französischen Air Line mussten Mütterlein ihren Auftritt absagen. Trotz des der kurzfristigen Absage fand der Veranstalter in Drengskapur einen Ersatz. Für uns war die Band nicht unbekannt, immerhin haben wir ihrem 2020 erschienenen Album Was der Morast verschlang ein Review gewidmet. Der Auftritt der Band war minimalistisch, aber umso beeindruckender. Ein großer, schnörkelloser Bannkreis thronte über den Drums und die beiden Musiker verzichteten auf weitere Requisiten, Make-Up oder eine aufwendige Choreographie. Nur einfache, schwarze Kapuzen auf dem Kopf, ein wenig Nebel, etwas rotes Licht und ihre Musik. Die Musik war eine dichte Klangkulisse, die den Raum vom ersten Moment an weiter vereinnahmte und mit ihrer erstaunlichen Vielschichtigkeit füllte. Drengskapur trieben ihre Musik weiter an und nur wenige, ruhige Passagen in der Musik erlaubten den Zuschauern, durchzuatmen. Die Musik riss nie wirklich ab, weil unter anderen keine Ansage sie unterbrach. In dieser dichten Atmosphäre eine kleine, unerwartete Überraschung: Im letzten Drittel des Sets bildete sich ein Moshpit in der Mitte der Halle. Einige wenige, aber umso aggressivere Mosher fielen übereinander her und die restlichen Besucher machten ihnen großzügig Platz. Über diesem surrealen Moment schwebte die Musik Drengskapurs und bildete einen passenden Soundtrack für den Moshpit. 

Bei der nächsten Band hatte ich am Freitag zum ersten Mal den Eindruck einer vollen Halle bei dieser Walpurgisnacht. Der Platz in den ersten Reihen wurde immer begrenzter und auch der Blick nach hinten zeigte viele Reihen erwartungsvoller Gesichter. Dann begann auch der Auftritt von Kawir. Eine sanfte Frauenstimme, begleitet von einer Panflöte und ätherischen Klängen. Zuerst wird die Bühne von Nebel eingehüllt und von grünem Licht geflutet. Aus dieser mystischen Sphäre schälten sich dann die Musiker wie wandelnde Tote hervor. Mit ihrem Corpsepaint, Kapuzen und Umhängen wirkten sie wie der Fährmann Charon, was bildlich zu ihrer Herkunft passt. Die Bandmitglieder stammen allesamt aus Griechenland und haben ihre eigenen antiken Götter und Sagen als Inspiration ihrer Musik ausgewählt. Dann erschien ihr Sänger mit Nietenarmbändern und einem großen Baphomet-Anhänger um den Hals. Dann begann das Konzert und fast eine Stunde lang wurde die Halle akustisch in die Unterwelt gezogen. Im Vergleich zu Drengskapur war die Musik von Kawir rasanter, aggressiver, schneller und nicht so schwer. Gelegentliche melodischen Einspieler aus den Lautsprechern lockerten den instrumentalen Sturm auf. Ein Bekannter von einem früheren Auftritt war auch dabei: Die weiße Gitarre von Abglanz wurde bei dem Auftritt verwendet und ich musste schmunzeln über das Wiedersehen der anderen Art. Zum Ende verschwanden die Musiker so schnell wie sie erschienen, selbst der Drummer nahm sich keine Zeit, um einen Stick zu werden. Sondern pfefferte ihn lässig durch die Halle und es war vorbei. Damit endete mit Kawir ein weiterer guter Auftritt auf der Walpurgisnacht

Auf dem diesjährigen Walpurgisnacht Festival durfte die Band Dornenreich mit zwei verschiedenen Sets an jeweils beiden Tagen auftreten. Am Freitag wurde ein Akustikset gespielt. Vor dem Auftritt wurde das Banner von Dornenreich mitten in der Bühne aufgehängt, direkt vor dem Drumset, und hat den Raum für die Musiker halbiert. Dadurch wirkte der Auftritt auch intimer und minimalistischer in seiner eigenen Darstellung. Dann betraten die Musiker Eviga und Inve zusammen die Bühne, mit dabei eine Akustikgitarre und eine Violine. Dies war Dornenreichs Wiederkehr nach Berlin nach 8 Jahren, und Berlin (oder zumindest die Besucher im ORWO Haus) empfingen die Besucher mit Jubel und Applaus. Für mich war der Auftritt eine Offenbarung: Zwei Musiker mit jeweils nur einem Instrument konnten eine Hundertschaft Besucher verzaubern und in einen emotionalen Wirbelsturm ziehen. Die Besucher waren an einem Moment ekstatisch geladen und lebten diesen Zustand lautstark aus. Im nächsten Moment waren sie in Trance und wiegten wie Ähren im Wind. Dies lag auch am abwechslungsreichen Set, welches sich abwechselnd in die Höhen schraubte und im nächsten Moment das Tempo radikal drosselte. Weiterhin war ich von dem Spiel der beiden Musiker beeindruckt, besonders von Eviga an der Gitarre. Noch nie hatte ich bisher einen Mann an einer Akustikgitarre mit so viel Virtuosität und Leidenschaft spielen sehen. Inve, sein Pendant an diesem Abend, spielte ruhig und elegant Geige und bildete so einen Gegenpol im gemeinsamen Spiel. Mit einer Zugabe und mit Applaus endete der Auftritt von Dornenreich am Freitag.

Intro, Freitanz, Meer, Der Freiheit Verlangen nach goldenen Ketten, Dem Wind geboren, Der Hexe nächtlich’ Ritt, Flügel in Felsen., Drang, Unruhe, Erst deine Träne löschen den Brand, Dein knöchern’ Kosen, Jagd, Zugabe

 Es folgten The Vision Bleak. Zuletzt auf dem Ragnaröek Festival stand der Release ihres neuesten Albums Weird Tales, zum Zeitpunkt der Walpurgisnacht war das Album bereits seit zwei Wochen erhältlich. Vom neuen Album wurden 4 neue Lieder in die Setlist eingefügt und jedes der Lieder wurde mit viel Jubel begrüßt. Es wurden auf der Bühne zwei stimmungsvolle Requisiten aufgestellt, einmal ein alter Notenständer und ein Mikrofonständer, welcher mit Holz, Efeu, einem menschlichen Schädel und einem ausgestopften Raubvogel dekoriert wurde. Zum Auftakt erzählte eine Stimme aus den Lautsprechern vom Untergang der Welt, in einem Stil, welcher mich verdächtigt an eine Erzählung von H. P. Lovecraft erinnerte. Ein passender Auftakt, wenn man bedenkt, wie häufig sich The Vision Bleak allein auf ihrem neuen Album auf die Werke des amerikanischen Schriftstellers aus Providence beziehen. Die Stimmung in der Halle war aufgeladen, voll freudiger Erwartung. In der ersten Reihe waren mehrere Enthusiasten der Band, die bei jeder Ankündigung für ein Lied laut jubelten und dies umso lauter, wenn es sich um einen Titel von Weird Tales handelte. Der Sänger Tobias Schönemann hatte ein Händchen, die entstandene Stimmung zu greifen und für sich zu nutzen. So animierte er mehrmals die Zuschauer zu verschiedenen Handlungen, wie zum Beispiel zum Klatschen, und dies auch vom Graben aus. Allein schon diese Dichte an Interaktion zwischen Besuchern und Musikern machte den Auftritt zu etwas ganz Besonderem und ließ The Vision Bleak an diesem Abend hervorstechen. 

Intro, Rue D’Auseil, The Night of the living Dead, Into the Unknown, Carpathia, Once I was a Flower, The Premature Burial, Elizabeth Dane, By our Brootherhood with Seth, Witch witch eyes of Amber, Kutulu, The Deathship Symphony, Lone Night Rider

Der Headliner des ersten Tages war die ukrainische Band 1914 und der Auftritt war intensiv, mitreißend und vor allem politisch. Die Lieder der Band behandeln den Ersten Weltkrieg und die damaligen, unmenschlichen Situationen für die Soldaten. Dieses Thema wurde mit dem Ukraine-Krieg umso realer, da dieser Krieg mitten in Europa wütete. Die Musiker von 1914 erleben die Auswirkungen des Krieges am eigenen Leib, da der Krieg buchstäblich vor ihrer Haustür wütet. Dies wurde in späteren Ansagen mehrmals thematisiert. Zum Auftakt gab es ein altes serbisches Volkslied aus der Anlage, welches stückweise von Schlachtenlärm und dem Krach abgefeuerter Schusswaffen abgelöst wurde. Dann erschienen die Musiker und trugen alte, Nachbildungen von Armeeuniformen, wie zum Beispiel von der schottischen Armee. Der Frontmann war zusätzlich mit getrocknetem Schlamm bedeckt und trug die ukrainische Flagge in der Hand. Dann ging es los mit brachialen, kompromisslosen Death Doom Metal. Der Sänger verlies mit dem Mikro zum ersten Mal die Bühne und schritt singend den Wellenbrecher ab. Bei einigen Besuchern blieb er kurz stehen, um sie ein- oder zweimal gegen Brust und Schultern zu schlagen. Auch bei mir tat er dies und statt Wut empfand ich den Moment als intensiv und einprägsam. Nach dem zweiten Lied hielt der Frontmann eine kurze, aber direkte Rede über die aktuelle Situation in der Ukraine und positionierte sich pro Demokratie und contra Putin und beendete die Aussagen mit einem “Fuck Russians”. In seiner zweiten Rede vertrat er die Meinung, dass Metal politisch sei und man sich als Musiker und Band politisch positionieren solle. Krieg hingegen sei nicht politisch, sondern nur Tod und Zerstörung. Bei beiden Reden wurde laut gejubelt und ich bemerkte keinen Besucher, welcher vorläufig die Halle verließ. Zum Schluss stieg der Sänger Dymytro noch einmal von der Bühne, aber diesmal pflügte er wie ein Panzer, passend zum Song A7V Mephisto, singend durch die Menge und stieß jede Person, die im Weg stand, einfach zur Seite. Ich war von dem Auftritt, der Performance und den starken Aussagen der Band beeindruckt und ich wünsche ihnen alles Gute für ihr weiteres Schaffen und dass der Krieg in der Ukraine bald enden möge. 

Intro, FN.380 ACP#19047, Vimy Ridge, Corps D’Autos-Canons-Mitrailleusesons, Mit Gott für König und Vaterland, Mephisto A7V, Arrival the Meuse Argonne, Passchenhell

Mit einem unglaublichen Finale endete der erste Tag auf der Walpurgisnacht. Das Line-Up war abwechslungsreich und bot eine Menge Überraschungen für die Besucher. Dementsprechend waren wir auf den kommenden Samstag gespannt und auch zu dem Tag haben wir einen Bericht samt Fotos verfasst.

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