Festivalbericht: Unter Schwarzer Flagge 2023 – Herbst Edition

Vor der Landebrücke 4 am Kölner Altstadtufer sammelte sich eine schwarze Schlange bis zur Hohenzollernbrücke. Goths, Freaks oder einfach nur Fans aller Art kamen zusammen, um eine besondere Kreuzfahrt zu unternehmen, denn wie heißt es so schön? „Eine Seefahrt, die ist lustig, eine Seefahrt, die ist schwarz“, oder so ähnlich.. Die Mini-Full-Metal-Cruise der Schwarzen Szene, das Unter Schwarzer Flagge 2023 in der Herbstedition. Bei strahlendem Sonnenschein sammelten sich hier Schaulustige, die das Spektakel auch sehen wollten. Dem Wetter war es auch geschuldet, dass sich die meisten Leute auf dem Sonnendeck niederließen, bevor die erste Band spielte. Hier wurden Bilder von und mit den USF-Flaggen gemacht, die die Reling säumten und das obligatorische Dom-Touri-Foto durfte auch nicht fehlen. Natürlich wurde sich auch mit Bier und anderen Getränken eingedeckt und das umfangreiche Catering beäugt. Hier gab es neben Bratwürstchen, Currywurst und Burgern auch Wraps und Brezeln. Positiv zu erwähnen sind an dieser Stelle auch die angebotenen veganen Alternativen. Die Preise waren für eine Veranstaltung dieser Art vollkommen in Ordnung.

Aber es ist ja nicht eine gewöhnliche Kreuzfahrt auf dem Rhein, sondern das Unter Schwarzer Flagge, das heißt, es gibt auch Musik zu hören. Während der Dom in der Ferne verschwand und wir das Schokoladenmuseum hinter uns ließen, ging es mit Heldmaschine los. Auch schon vorher gab es unter den wenigen, die das Sonnendeck verschmähten, um sich Plätze in der ersten Reihe zu sichern, schon „Heldmaschine-Rufe“. Der Konzertsaal wurde abgedunkelt, und die Bühne wurde in dichten Nebel gehüllt. Maskiert und auf modifizierten E-Boards rollten die Jungs auf die Bühne und legten gleich los. Die Stimmung war hier schon hervorragend. Zum Song Bestie tauchten im Publikum auf einmal Dino-Luftballons auf, die dann sogar den Weg auf die Bühne fanden. Dirk wird wohl leicht seekrank, um dies zu überprüfen, sollten alle auf eine Seite des Schiffes gehen und es zum Kippen bringen. Die Idee wurde zwar verworfen, aber zum Song Springt! sollte das Schiff trotzdem einmal richtig zum Schwanken gebracht werden. Die Zugabe wurde mit einem Cover des Pixies Klassikers Where Is My Mind? eingeleitet. Der einzige Einsatz einer Akustikgitarre an diesem Tag. Spätestens bei der Frage, wer Heldmaschine das erste Mal sehe, bestätigte sich, dass dieses Publikum nur für diese Band hergekommen war.

Während wir Uferböschungen passierten, genau wie Oberkassel bei Rheinkilometer 666, gaben Stahlmann ihr Bestes, Unzucht würdig zu vertreten und die Menge zu überzeugen. Da De Clercq krankheitsbedingt ausfiel und Unzucht deshalb nicht spielen konnten, sprangen sehr kurzfristig Stahlmann für sie ein. Man merkte etwas die Enttäuschung, aber spätestens nach ein paar Songs hatten sie alle für sich gewonnen. Wer mit dem Ersatz nicht zufrieden war, konnte sich ja immer noch aufs Sonnendeck verziehen. Ebenfalls maskiert und unter Kutten verborgen betraten die Jungs die Bühne. Sie entledigten sich der Masken in einer Art Zeremonie, in der zwei Priesterinnen diese auf Tabletts entgegennahmen und von der Bühne brachten. Stahlmann existieren nun schon seit 15 Jahren und sind eigentlich gerade auf der Flammenmeer Tour für ihr aktuelles Album. In den Anfängen war die silberne Farbe noch silbernes Haarspray, etwas, was auf Dauer nicht allzu angenehm sein kann. Sänger Martin Soer erzählte auch davon, dass er schon seit er 14 ist mit Schulz von Unzucht Musik mache. Spontan rief er ihn auf der Bühne an, das Publikum sollte ganz leise sein. Was durch eifriges Schhh auch mehr oder weniger eingehalten wurde. Nach kurzen Verbindungsproblemen ging der Plan auf, auf dem Rhein ist stellenweise kaum bis gar kein Netz. Er freute sich riesig, die Menge ebenfalls und sein „Freunde macht mal Lärm!“ wurde lautstark befolgt. Aber Stahlmann spielten ja auch Musik und konnten es nicht nehmen lassen, auch Faust zum Himmel von ihrer neuesten EP Addendum zu performen. Zur Hymne Schwarz wurden schwarze Fahnen geschwenkt und zur Eröffnung der Zugabe gab es sogar ein ausgedehntes Drumsolo.

Mit massiver Verspätung und deutlich schlechterem Wetter als bei der Abfahrt kam die MS Rheinenergie in Königswinter an. Viele gingen los, um den Drachenfels zu erkunden oder einfach nur etwas Essbares aufzutreiben. Letzteres gestaltete sich für viele als schwierig, denn die Restaurants der Stadt hatten entweder geschlossen oder waren voll. Wer schlau war, reservierte sich vorher Plätze. Der Rest musste mit dem vorliebnehmen, was übrig war oder wieder aufs Schiff zurück. Die Stadt selbst hat nicht viel zu bieten und es war herbstlich kalt bei Nieselregen, also zog es viele wieder zurück auf die MS Rheinenergie. Der Konzertsaal war für Umbau und Soundcheck vorübergehend geschlossen, was aber niemanden aufhielt, nicht doch in die offene Galerie zu gehen und von oben auf das Geschehen hinabzublicken. Ton- und Lichttechniker wuselten umher und Lord of the Lost spielten ihre Instrumente ein. Die Schaulustigen gingen auch schon bei den angespielten Songs gut mit, was Pi mit „Ihr seid toll!“ kommentierte. Das Sonnendeck war eher ein Regendeck, weswegen sich auch dort kaum jemand aufhielt. Der geschlossene Innenraum sorgte aber dafür, dass es in der Galerie und im vorderen Bereich bei den Toiletten und der Garderobe zu Gedränge kam. Als sich die Türen öffneten, waren die ersten Reihen so schnell besetzt, wie man nur „Lord of the Lost“ sagen kann, denn obwohl Erdling den Auftakt auf der Rückfahrt machten, sah man quasi nur Losties vorne stehen, von Kopf bis Fuß in Merch eingehüllt. Da nahm man auch in Kauf, dass man die Panoramafahrt um den Drachenfels verpasste, was aber kein großes Problem darstellte, denn es hatte zwar aufgehört zu regnen, aber es war immer noch kalt und vor allem aber dunkel. Außer einem beleuchteten Turm gab es nicht viel zu sehen.

Dafür gab es aber bald ordentlich etwas zu hören. Erdling legten los und das sehr laut. Geschminkt und in gelbes Licht getaucht betraten sie die Bühne. Auch hier gab es den Kommentar, dass das Boot zum Schwanken gebracht werden sollte. Ob das Boot selbst geschwankt hat, wage ich zu bezweifeln, aber das Deck hat in jedem Fall gebebt. Passend dazu wurde der Song Über Bord das erste Mal auf einem Schiff performt. Zu diesem Lied wurden Handylampen und Feuerzeuge gezückt und die Wellenbewegung des Flusses mit winkenden Armen simuliert. Erdling gibt es bereits seit 9 Jahren, das heißt, nächstes Jahr ist Jubiläumsjahr. Dazu wird es im November eine Tour geben, wie Sänger Neill verkündete. Wir können uns also auch nächstes Jahr wieder auf grandiose Auftritte wie diesen freuen.

Als krönenden Abschluss gab es die Band, auf die sehr viele hier gewartet haben. Die Rede ist natürlich von Lord of the Lost. Es war am Anfang des Tages etwas unklar, ob sie wirklich performen könnten, denn die Stimme von Chris Harms war wohl ziemlich angeschlagen. Beruhigend wirkte dann aber die Meldung, dass es der Stimme gut gehe, aber die Fans laut mitsingen sollten, um zu unterstützen. Gesagt, getan und das sehr laut und teilweise auch sehr schief. Nach den ersten Songs wurde das Resümee gezogen, dass Chris alle Töne treffe, aber sich trotzdem riesig über die Unterstützung freue. Gareds Keyboard hingegen brachte beim zweiten Song keinen Ton raus, weil er versehentlich den falschen Knopf traf. Das sorgte zwar für Erheiterung, war aber schnell behoben. Ein letztes Mal sollte das Boot zum Schaukeln gebracht werden, bei Blood for Blood war die Anweisung „die Fahrt etwas comic-hafter“ zu gestalten. Wie schon bei Erdling zuvor bebte das Deck und auch die Galerie bewegte sich – gefühlt mehr als sie sollte. Die Jungs hatten sichtlich Spaß und alberten in gewohnter Manier auf der Bühne herum, Chris warf mit Plektren wie andere mit Konfetti und nachdem seine eigenen weg waren, nahm er sie von Klaas und Pi. Ein Gänsehautmoment war Blood & Glitter aus hunderten Kehlen, aber auch One Last Song als Abschluss des Festivals war sehr schön. Chris betonte, dass „zu Hause sein“ für ihn nicht unbedingt bedeute, dass er in seiner Wohnung sei, sondern da, wo seine Familie sei und die Community der Band sei auch ein Teil dieser Familie. Auch wenn das USF kleiner ist als das Amphi Festival, ist es dennoch die gleiche Familie. Und so fand ein wunderbarer Tag seinen Abschluss, die Menge verließ das Schiff und verteilte sich wieder in die Dunkelheit zwischen den Lichtern der Stadt.

Hier noch ein paar Eindrücke rund um das Schiff:

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