Festivalbericht: Amphi 2024 Sonntag

Sonntagvormittag, 11 Uhr, auf dem Amphi Festival: Die Goths schliefen noch, lediglich eine kleine Herde des Exemplars des Gruftis hatte sich vor der Bühne versammelt, um an einem besonderen Ritual teilzunehmen. Die Sonne brannte – überhaupt nicht gut, für die empfindliche, blasse Haut, die bei zu langer Sonnenexposition droht zu Staub zu zerfallen. Zum Glück für die Herde reichte der Platz unter den großen Schirmen vor der Mainstage vollkommen aus und niemand musste in der Sonne stehen. Niemand der Anwesenden war auf der Afterparty am Vortag, denn sonst wären sie gar nicht erst hier. Nicht mal Host Mark Benecke war da, weswegen Celene Nox die Begrüßung alleine machte.

Den Beginn auf der Main Stage machte J:Dead. Das Soloprojekt des Briten Jay Taylor machte für 11 Uhr an einem Sonntag richtig gute Stimmung und ballerte uns Bässe um die Ohren. Ansagen gab es kaum, denn die Zeit war knapp und niemand wolle einem Briten zuhören, denn er würde sich eh nur über das Wetter beschweren. Für Ausflüge ins Publikum reichte zwar die Zeit, aber nicht die Funkstrecke und so gab es immer wieder Störgeräusche zu hören, bis er es wieder auf die Bühne schaffte. Nur heim käme er nicht mehr, wenn die Besucher nicht seinen Merch kaufen würden.

Mark versuchte, die nächste Band anzukündigen, aber wurde dabei erstmal ausgebuht, weil er Celene vorhin alleine gelassen hatte. Das hinderte ihn nicht daran, die Band anzukündigen, die „die Tofuscheibe vom Dinkelbrötchen“ ziehe: Soulbound. Mit ihrem zwei Tage vorher veröffentlichten Album obsYdian im Gepäck rockten sie die Main Stage. Sie konnten ebenfalls nicht viel herumquatschen, aber auf der Headlinertour würde es genug Zeit dafür geben. Sänger Johnny nahm sich aber die Zeit, über seine Depression zu reden, denn davon handle der Song Insane. Aber trotz des düsteren Themas gab es sehr viel gute Laune. Ein Insider der Band ist, dass das Publikum bei jedem Konzert irgendwas anderes hochhalten solle, auf dem Sternenklang Festival sollen es Schuhe gewesen sein. Auf die Frage, was dieses Mal hochgehalten werden solle, kam als Antwort aus der Menge „Kinder“, also sah man erstaunlich viele Kinder auf den Schultern über die Köpfe der anderen ragen, auch wenn es kurz vorher zu “haltet einfach irgendwas hoch” geändert wurde. Der Auftritt machte so viel Spaß, dass noch während des Abbaus Zugaberufe zu hören waren.

Die Band, die folgen sollte, war meine persönliche Überraschung des Festivals. The Other sehen nicht nur unfassbar cool aus, sie klingen auch gut und schafften es, den ersten und einzigen Moshpit dieses Amphis zu eröffnen. Kein Wunder, bei der schnellen und härteren Spielweise, als man es von den anderen Bands hier gewohnt war. Als ein Vertreter der seltenen Spezies des Horrorpunks machten sie sehr viel Spaß hier auf der Main Stage, auf der sie nun das erste Mal spielen durften. Mit Hyde Inside gab es einen Throwback zum Debütalbum They’re Alive! aus dem Jahre 2004. Und es gibt sogar eine andere Verbindung zum Amphifestival, denn zusammen mit Mark Benecke (und einigen anderen bekannten Stimmen, wie beispielsweise Joachim Witt) brachten The Other 2020 ein Hörspiel raus.

Vor der nächsten Band sollten alle einmal üben, das R zu rollen, schließlich spielte die Heldmaschine jetzt schon das dritte Mal auf dem Amphi. Der für die NDH typische Laut wurde mit ® auch in einem eigenen Song gewürdigt. Sänger René Anlauf spielte in einer Doku über Karl Denke mit, entsprechend gab es auch einen Song über den bekannten Serienmörder und Kannibalen. Für die Band fühlte sich dieser Auftritt auf dem Amphi wieder wie nach Hause kommen an und sie seien auch nicht mehr aufgeregt – wobei, ein bisschen vielleicht schon. Zum Abschluss gab es eine Stichprobe auf der Suche nach der lautesten Stadt, und holy moly ist Köln laut. Vielleicht finden sie 2025 auf der Kaltfront Tour zusammen mit Eisbrecher eine lautere Stadt, auch wenn das zu bezweifeln ist.

Mit Faderhead wurden die Bässe aufgedreht und es wurde elektronisch auf der Amphi Main Stage. Vor (und auf) der Bühne gab es viel Bewegung, den Musikern stand die Freude förmlich ins Gesicht geschrieben und so sprangen sie wie Flummis umher, wenn sie nicht gerade an den Laptops und Synthesizern hantierten. Sami, der Kopf hinter Faderhead, hatte seinen Podcastpartner Danny (aka The Delta Mode) dabei, der auch als Gastsänger zum Einsatz kam. Unter anderem für den Song Die For This, bei dem er den Part von Neuroticfish übernahm. Am Ende des Auftritts bleibt: Der Bass ballert.

Die meistgewünschte Band im Line-up des Amphis ist Solar Fake und spielt somit regelmäßig auf dem Amphi, auch wenn das Gesicht hinter dem Projekt, Sven Friedrich, bisher jedes Angebot Headliner zu werden, abgelehnt habe. Laut Mark würde Sven im Backstage immer die Sonne aufgehen lassen und sei somit auch ein sehr gern gesehener Gast, nicht nur auf der Bühne. Und so wundert es auch überhaupt nicht, dass das Publikum voll dabei war und selbst neuere Songs wie zum Beispiel Not so Important aus dem Mai 2024 wurde textsicher mitgesungen. Die Stimmung war so gut, dass sie gern noch ewig überzogen hätten, aber das war leider nicht drin, denn die nächste Band stand schon in den Startlöchern.

Keine Band hat mehr „gruftige“ Songs als Blutengel. Der Auftritt war an diesem Tag auch auf jeden Fall der aufsehenerregendste, denn Frauen in Unterwäsche, die einander anfassen und sich mit Blut einschmieren, locken in jedem Fall viele Menschen an. Die großen LED-Wände im Hintergrund unterstützten die morbide Ästhetik mit Bildern passend zur Show. Show ist auch das richtige Wort, denn visuell wurde auch neben bereits erwähnten Schauwerten etwas geboten, aber immer so, dass es zur Musik passte. Leider wurde der Effekt zwischen den Songs zunichtegemacht, beispielsweise als das Kunstblut zu einer improvisierten Version der Mission: Impossible-Titelmelodie aufgewischt wurde. Dafür bekamen wir noch einmal Sven Friedrich zu Gesicht, denn sie spielten ihren gemeinsamen Song Nothing Left.

Den Abschluss auf der Orbit Stage, auf dem Schiff der MS Rheinmagie, machte Kirlian Camera. Die Italiener haben scheinbar ihre Fans aus der Heimat mitgebracht, denn im Publikum wurde erstaunlich viel Italienisch gesprochen. Die kleine Bühne im Bauch des Schiffs brachte Club-Atmosphäre auf. Auf der Leinwand im Hintergrund liefen allerlei Videos, hauptsächlich von vergangenen Auftritten. Die Band hatte sichtlich sehr viel Spaß, die Menge ebenfalls. Es wurde getanzt, gesprungen und das Boot war buchstäblich am Beben. Ein krönender Abschluss des zweiten Festivaltages und damit auch des gesamten Festivals.

An diesem Tag spielten neben den genannten Bands außerdem Auger, Ruined conflict, Deus Ex Lumina, Dark, Ultra Sun, The Beauty of Gemina, Girls under Glass, Merciful Nuns, Henric de la Cour, Heppners Tanzzwang, And One und Goethes Erben. Durch den sehr parallelen Spielplan war es leider nicht möglich, alle Bands zu sehen und leider hatte nur unsere Fotografin die Gelegenheit ins Theater zu gehen, denn durch den Regen war die Schlange so lang, dass niemand mehr eingelassen wurde. Von And One zeigen wir euch trotzdem Bilder:

Die Fehler vom Vortag wurden berücksichtigt und das Aufgebot an Security vor der Bühne wurde vergrößert. An diesem Tag lies uns das Wetter auch nicht im Stich und so konnte man auch abends noch nach Ende am Rhein sitzen und den Sonnenuntergang beobachten. Es war wieder einmal ein wundervolles Festival mit tollen Menschen und einer großartigen Atmosphäre.

Mehr vom Amphi Festival findet ihr hier:

Mehr von den Bands, die heute gespielt haben findet ihr hier:

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