Festivalbericht: M’era Luna 2024 – der Sonntag Teil 1

Für die schwarze Szene und auch für uns ist elf Uhr an einem Sonntagmorgen eine Herausforderung. JanRevolution war schon ausgeschlafen und als zweiter Newcomer-Sieger vom Sonic Seducer-Wettbewerb für den ersten Slot vorgesehen und das auch gleich auf der Mainstage. Die Menschen waren noch nicht so zahlreich erschienen, sodass der Platz im Bühnenschatten noch für alle reichte, was sich tatsächlich innerhalb des 20-Minuten-Slots noch ändern sollte. Sehr angesagt als Sonnenschutz war die Assassinen-Style-Kapuze, die sollte im Laufe des Tages noch öfter auftauchen, wie diverseste Sonnenschirmvarianten. So auch der Sänger selbst – mit Sonnenbrille und über gezogener Kapuze begrüßte JanRevolution das Publikum zum frühen Sonntagmorgen und bedankte sich auch bei den Fans, die ihn „fünf, zehn oder auch schon zwanzig Jahre unterstützen“. Ordentlich Bass gab es direkt nach Beginn, so mag man das auch im Publikum.

Weiter ging es zu Extize, zur Pyjama-Party. Ja, richtig gelesen. Ein Aufruf von Cyb3rella über Insta sorgte dafür, dass sich sehr viele Menschen im Schlafoutfit vor der Club-Stage versammelten und bei ordentlichen Electro-Industrial-Beats das Frühstück durchschüttelten. Platz zum Tanzen war auch hier noch gegeben, allerdings waren die Schattenplätze schon eng geworden, sodass man in die Sonne ausweichen musste. So originell Cyb3rellas Outfit auch war, im Publikum wurden während des Slots auch immer mehr „schöne Menschen“ gesehen. Neidisch war ich ja etwas auf Cyb3rellas Fingernägel im „Edward-Stil“. Mit den beiden Tänzerinnen gab es auch auf der Bühne auch einiges zu sehen, eine wurde auch mal eben zur Königin gekrönt. Auf alle Fälle ein guter Anfang eines neuen M’era-Tages…

…der auf der Mainstage weiterging. Erdling begannen ausgerechnet mit Stormy Weather von Etta James als Intromusik, was dann in Blitz und Donner überging. Gut, dass das Wetter nicht dementsprechend herbeigerufen wurde. Absolutus Rex mit der Zeile „ich fühl‘ ihn, den wahren Gottkomplex“ ist für den M’era-Frühaufsteher der Grund, heute nicht in die Kirche zu gehen, sondern auf dem mittlerweile gut gefüllten Platz der Götterdämmerung beizuwohnen. Gute Entscheidung, denn auch die Dreads von „Böse Fuchs“ aka Valeria Ereth, als einzige „Langhaarige“ im Frontbereich der Band herumfliegen zu sehen hat schon was. Wie ein Phoenix aus der Asche hat der Wechsel an der Gitarre gewonnen. Erdling feiert übrigens dieses Jahr ihr zehn-jähriges Jubiläum und sind im November auf Jubiläums-Tournee.

Vom Himmel direkt unter, bzw. auf die Erde, wo Eden weint im Grab einen 30-minütigen Slot auf der Club-Stage bekommen hat. Cello und Geige sind die tonführenden Instrumente, mit Unterstützung der E-Gitarren, die den Sound von Eden weint im Grab unverwechselbar machen. Gepaart mit intelligenten, kritischen Texten regen sie an, noch mehr auf die Texte zu hören. Die Jenseitsflugmaschine ist zwar unsichtbar, aber jeder auf dem Platz ist textsicher mit dabei und fliegt gefühlt mit. Bei Tentakeln der Angst unterstrich alleine die Augenmimik von Alexander Paul Blake die morbide und melancholische Stimmung des Songs, neben seiner wandelbaren Stimme. „Habt ihr Lust auf einen Tanz mit uns? Oder dem Tod?“ Tango Mortis kam auch so harmlos daher, hat es aber in sich. Eden weint im Grab sind auch schon zwanzig Jahre auf den großen Bühnen unterwegs und sind im November in Berlin mit ihrer 20-Jahre-Jubiläumsshow. Heute leider nur ein kurzer Slot, schade. So oft gibt es die Gelegenheit, sie zu sehen, nicht. 

Zwei Bräute im Schleier, das Gesicht bedeckt mit einer silberfarben Maske, lehnten an einem Altar auf der Bühne. Drei bewegungslose Musiker, alle mit Masken, warteten geduldig, bis die Intromusik verklungen war. Dann erschien ein Mensch hinter dem Alter und nun wusste auch der letzte, dass das keine Sonntagspredigt würde. Stahlmann waren da, nicht mehr in Silber, sondern mit schwarzem Make-up und haben wieder eine schöne Bühnenchoreo der zwei Damen mitgebracht, bei der man aufpassen musste, dass man nichts verpasste. Asche zu Asche ist der erste Titel und in Stahlmann-Manier mit Feuer und Flamme unterstützt. Nach Adrenalin wurde dem Publikum von Mart erklärt und geübt, wie das mit den Fäusten in die Höhe funktioniert. Das wurde nämlich als Unterstützung für Der Schmied gebraucht, damit alle mitmachen konnten. Spätestens bei Plasma war die Menge richtig wach. Als Live-Premiere spielte die Band Interstellar vom neuen Album Phosphor (Ordnungszahl 15 übrigens…), anlässlich des 15-jährigen Jubiläums.

Bei Future Lied To Us ging es direkt ohne Ansage in die Vollen auf der Clubstage und sie brachten mit ihrem Tiefbass das Spätfrühstück in Bewegung. Ein typisches EBM-Set, das dem Publikum vor der Bühne direkt in die Beine ging. Während Vasi Vallis und Krischan Wesenberg an ihren Synthis und Laptops hingen, machte Damasius Venys den Rest der Bühne unsicher. Den vielen Platz, den er hatte, nutze er auch voll aus und tanzte umher, während er viel gestikulierte. Das Publikum hatte gute Laune und klatschte immer fleißig mit, sprang oder tanzte – es war immer in Bewegung, wie es bei dieser Musik auch nicht anders möglich ist.

Ohne große Umschweife ging es auf der Main Stage mit Zeraphine weiter. Leider hätte der Sound besser funktionieren können, denn Sven Friedrich (auch Solarfake) kam heute etwas schwach rüber und wurde vom etwas zu lauten Schlagzeug übertönt. Schade, ist man doch besseres gewohnt. Dem Publikum aber war es egal, die Band ist in Wirklichkeit, dem Klassiker, wegweisend im Bereich der Szene. Spätestens bei Kaltes Herz kam die Menge in Bewegung, mit Be my Rain es zum Abschluss nochmal einen besonderen Publikumsliebling zu hören.

Dafür fand auf der Club-Stage die nächste Party statt. [x]-Rx brachten die Menge in Ektase. Hard Bass, Hard Soundz, das ist die Ansage. „Wir freuen uns üüübel, hier zu sein, lauter schöne Menschen, ist nur das Problem mit dem Herz. Habt ihr Bock auf Kein Herz?“ Und bei dreißig Grad in der Sonne eine solche Energie im Publikum zu aktivieren, ist schon eine Leistung. Mit Industrial-Rave, ins Ohr gehend bei gleichbleibendem Beat, eigentlich eher für Clubs geeignet, bewiesen die Industrial-Raver, dass das auch auf dem Platz funktioniert. Pascal und Jan hüpften nur so über die Bühne und strahlten eine Energie aus, die ihresgleichen suchte. Nur unterbrochen von kurzen Abstechern an ihr Pult, nutzten sie die Bühne voll aus, die eigentlich viel zu klein für sie war. Pascals Aussage: „Meine Fresse war das geil mit euch“, kann man genau so zurückgeben.

Dass das M’era sich in Sachen Musikrichtungen weiter öffnet, konnte man mit dArtagnan ganz gut bemerken. Folk-Rock im Musketier-Style brachte aber trotzdem den Platz zum Beben. Das liegt auch sicherlich an den Mitmachaktionen und an der Thematik Feste, Feiern, Tod, Freiheit und Liebe, gepaart mit eingängigen Rhythmen. Gute-Laune-Musik eben, inklusive eines Avicii-Covers (Hey Brother), einem traditionellen Trinklied (Was wollen wir trinken) oder einem Shanty (Auld long syne). Mit viel Spaß und Pyrotechnik kam das Publikum nicht nur durch die Sonne ins Schwitzen.

Der Sprung danach zu Das Ich war wie in eine andere Welt… Mit neuem, alten weiß-schwarzen Make-up hüpfte Stefan Ackermann wie gewohnt auf die Bühne und verteilte erstmal Kusshände. Die Synthis, ja, nun drei, sind alle fahrbar und wurden kreuz und quer über die Bühne geschoben, und zu dieser Lebhaftigkeit wird Lazarus vom Publikum aufgesogen. Übrigens ein neuer Song, der auf dem voraussichtlich im ersten Quartal 2025 kommenden Album erscheinen wird. Das Ich, das Urgestein und Pionier der Schwarzen Szene ist da und spielt Songs aus allen Jahren seiner Existenz. „Hallo M’era Luna, es ist sehr heiß, aber das liegt nicht an euch. Also, ihr seid auch heiß.. Aber die Sonne.. Es wird auch nie wieder besser..“ war die Begrüßung an das fleißig schwitzende Publikum. Kannibale, einer der „neueren“ Songs aus 2008, trug zum Schweiß noch weiter bei.

Aber damit sind wir aber auch schon bei der Hälfte der Bands des heutigen Tages angelangt. Die zweite Hälfte folgt und der Tag wird nicht kühler, das Line-up ist noch mindestens so heiß wie die Sonne an diesem Tag.

 

Bericht: Patrick Süß 
Bilder: Eric Süß

Mehr zum diesjährigen M’era Luna findet ihr hier:

Frühere Beiträge zum M’era Luna findet ihr hier:

 

Mehr über die Bands bei Dark-Art findet ihr hier:

Über Patrick Süß 78 Artikel
- Photographiere Konzerte seit 2012 - Musikrichtungen: Iron Maiden-Fan seit 1982, Epica, WT, Nightwish, Avatar, aus der Region Rhein Main Pentarium, Snow White Blood und alles was rockt. - Wacken-Photographer - Hexentanzfestival Losheim am See / Großrosseln (ab 2023) - Stammgast beim Flörsheimer Open-Air und beim - "das Rind" in Rüsselsheim und das "Moshpit" in Flörsheim sind meine "Wohnzimmer" - Seit November 2020 bei Dark-Art - Wer mehr wissen möchte... einfach fragen.

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